Kundgebung

Initiative „Gröpelingen: Solidarisch gegen Rechts“

Kurzbericht Kundgebung 27. April 2024

Lieber gemeinsam protestieren, als alleine zu verzweifeln!

Mehr als 350 Menschen versammelten sich zur Kundgebung Solidarisch gegen Rechts in Gröpelingen.

Kurz vor 12 Uhr füllte sich der Bgm-Koschnick-Platz im Zentrum Gröpelingens vor der kleinen Bühne, die eigens für die Kundgebung aufgebaut worden war. Viele trafen alte Bekannte, die sie seit der Corona-Pandemie aus den Augen verloren hatten, aber auch viele junge Leute kamen, um gemeinsam für ein solidarisches Gröpelingen und gegen rechtsextremistische Theorie und Tat zu protestieren. Es war die erste Demonstration in Gröpelingen gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft seit vielen Jahren und die Stimmung auf dem Platz war solidarisch, aufmerksam und gut. Oft hörte man: Endlich kommen wir zusammen, statt alleine zu Hause an der Lage zu verzweifeln. 

Punkt zwölf Uhr erklangen 12 dunkle Glockenschläge und danach eine Stimme: „Es ist 5 nach 12. Schon lange.“ Nun hörte man Ausschnitte aus Reportagen und Nachrichtensendungen, die an eine lange Kette rassistischer und rechtsextremer Gewalt in Deutschland erinnerten: Die tagelangen Ausschreitungen eines rechten Mobs gegen Ausländer in Rostock-Lichtenhagen, Brandanschläge in Mölln, die Morde des NSU, der Versuch der Erstürmung des Bundestags durch Reichsbürger, der Angriff auf die Synagoge in Halle, die Morde in Hanau, die Verhaftung einer rechten Verschwörergruppe, die einen Umsturz in Deutschland plante, rechtsradikale Netzwerke bei der Polizei und schließlich das Geheimtreffen am Wannsee, bei dem AfD-Politiker und andere Rechtsextreme die Deportation von Hundertausenden Migrant:innen diskutierten. Dann wieder die eindringliche Stimme: „Schweigen ist keine Option“.

Diese Hörcollage einer jungen Journalistin sprach den Teilnehmenden aus der Seele: Schweigen ist keine Option angesichts einer aggressiven AfD, die mit immer radikaleren rechtsextremen Parolen die öffentliche Debatte weit nach Rechts verschoben hat. Dieser Rechtsruck ist ein Angriff auf gesellschaftliche Solidarität, Eintreten für die Rechte von Minderheiten oder soziale Gerechtigkeit.

In mehreren Wortbeiträgen arbeiteten verschiedene Rednerinnen und Redner detailliert heraus, warum die AfD keine Alternative ist und auch keine Lösung für die realen Probleme unseres Stadtteils und unserer Gesellschaft hat.

„Wir wollen nicht mehr schweigen“, riefen die Veranstalter unter Beifall aus, „wenn um uns herum immer häufiger unter dem Motto ‚das wird doch wohl nochmal gesagt werden dürfen‘ Lügen über Migrant:innen verbreitet, Klimaaktivist:innen verhöhnt, kritische Journalist:innen bedroht werden, verächtlich über Muslima und Muslime gesprochen wird oder Alleinerziehende Frauen oder Menschen in Armut als Arbeitsscheu verleumdet werden.

Uns eint die Überzeugung: Wir leben in Vielfalt – das ist die Zukunft der Menschheit. Und diese Zukunft kann nur gelingen, wenn wir Gleichberechtigung erkämpfen – für alle! Gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an allen Lebensbereichen ist ein Menschenrecht. Teilhabe an Bildung, Arbeit, Wohnen, Sport oder Mobilität ist ein zentraler Wert unserer Demokratie.“

Im Beitrag des Martinsclub e.V. wurde deutlich, wie gefährlich die Diffamierung der Inklusion als „Ideologie“ durch die AfD ist: Die AfD will die Inklusion abschaffen und damit die gesellschaftliche Teilhabe besonders von gehandicapten Menschen angreifen. Auch hier die immer gleiche Masche des Rechtspopulismus: Die Inklusion wird verhöhnt, anstatt die realen Probleme der Inklusion zu lösen. Ganz konkret berichtete ein Redner, wie Inklusion ihm ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglicht. „Inklusion ist keine Gnade, sondern ein verbrieftes europäisches Recht!“

In einem Gedicht, das zwei Quartiersbewohnerinnen allen mit Armut und Ausgrenzung konfrontierten Gröpelinger:innen widmeten, wurde deutlich, wie gewalttätig Rassismus und Diffamierung auf das Leben derjenigen wirkt, die alle Energie aufwenden müssen, um über die Runden zu kommen. Wie Rassismus zu Ohnmacht, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit führt bei denen, die keine Lobby in dieser Gesellschaft haben.

Inhaltlich schloss sich daran der Redebeitrag der Stadtteilgesellschaft Solidarisch in Gröpelingen an. Rassismus und rechter Hass sind kein Zufall, sondern die Realität in einer Gesellschaft, die von sozialer Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Ausgrenzung geprägt ist. Deshalb ist es notwendig, so die Stadtteilgewerkschaft, sich gemeinsam an der Basis zu organisieren und gegen Strukturen und Ursachen von Ungleichbehandlung und Ausgrenzung zu kämpfen.

Stellvertretend für die muslimische Community in Gröpelingen sprach eine Vertreterin der Mevlana Moschee zur Muslimfeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Vor allem Frauen, die aus religiöser Überzeugung ein Kopftuch tragen, haben tagtäglich mit rassistischen Beleidigungen oder Herabwürdigungen zu tun. Allen voran treibt die AfD den Hass gegen Muslime immer weiter voran und warnt vor der „Islamisierung“ Deutschlands. „Die AfD stellt keine Meinung dar, sondern sie hetzt. Hetze und religiöse Intoleranz verstoßen gegen unsere Grundrechte. Wir dürfen der islamfeindlichen AfD keine Chance geben.“

Am Ende der Kundgebung warf die Neue Oberschule Gröpelingen, stellvertretend für die Gröpelinger Bildungslandschaft, einen Blick auf die besondere Situation in den Schulen, Hier, wo alle Kinder und Jugendlichen des Stadtteils zusammenkommen, sind alle gesellschaftlichen Konflikte tagtäglich Thema auf dem Schulhof und im  Klassenzimmer. Eine große Rolle spielen die sozialen Medien, in denen junge Menschen mit rechtsextremer Propaganda, Fake News und Verschwörungsunsinn geflutet werden. Aber auch die Diskussionen und Konflikte in den Elternhäusern, die globalen Krisen und Kriege emotionalisieren die Debatten zwischen den Schüler:innen und Lehrer:innen. Wie können Schulen in einem Meer von Desinformation zu Leuchttürmen für Respekt, Toleranz, demokratischer Diskussion werden?

Das Gegenmittel ist politische Bildung und demokratische Strukturen an Schulen. Junge Leute müssen Räume und Unterstützung bekommen, um zu lernen, ihre Meinung zu äußern und andere Meinungen anzuhören. Um zu lernen, in den demokratischen Diskurs zu gehen. Dazu dienen offene Klassenräte, aber auch alle anderen Formen demokratischer Bildung. Und selbstverständlich müssen sich Schulen und Lehrer:innen beherzt gegen antidemokratische Tendenzen positionieren.

Die Rapper o superior und Torbeats brachten mit ihrem Song „Neiddebatten“ die Sache auf den Punkt und die Kundgebung auf ihren Höhepunkt: Eine Kampfansage gegen Rassismus, gegen verachtende Politik, gegen die Entmenschlichung von Geflüchteten und Migranten und gegen die Heuchelei derjenigen Politiker der Mitte, die gegen die AfD wettern, aber deren Politik betreiben.

Die Initiative gegen die „Bezahlkarte“ rief die Teilnehmer:innen auf, ganz konkret gegen die immer weitere Entrechtung von Geflüchteten zu protestieren. Die „Bezahlkarte“ nimmt Geflüchteten ihr Bargeld und zwingt sie, ihren tagtäglichen Bedarf über eine sogenannte Bezahlkarte abzuwickeln. Für die Betroffenen ist dies ein weiterer Baustein von Entmündigung und Entrechtung.   

Die Initiative war mit einem Infostand zur Kundgebung gekommen ebenso wie die Geschichtswerkstatt Gröpelingen, VOLT, Quartiersbildungszentrum, Martinsclub, Stadtteilgewerkschaft Solidarisch gegen Rechts, Gröpelinger Erklärung gegen Rechts, Kultur Vor Ort, Die Linke und die Städtepartnerschaft Bremen – Izmir. An allen Ständen gab es großes Interesse und viele Diskussionen – und genau das sollte mit der Kundgebung erreicht werden: Wir wollen den Rechtsruck der Gesellschaft wieder in die öffentliche Debatte holen.  

Tatkräftig unterstützt wir die Aktion von zahlreichen solidarischen Helfer:innen aus dem Stadtteil, Bürgerhaus Oslebshausen, PS Promotion und der Agentur helllo!